Wissenschaft und Politik: Die Aufarbeitung des NS-Kunstraubs, der Fall Gurlitt und die Folgen

Tagung des Instituts für Zeitgeschichte und des Zentralinstituts für Kunstgeschichte

Der nationalsozialistische Kulturgutraub in Europa war in den ersten Jahrzehnten nach 1945 ein wenig beachtetes Thema, das kaum Resonanz in der Öffentlichkeit und den Praktiken der Rückerstattung respektive „Wiedergutmachung“ von Verlusten in der frühen Bundesrepublik fand. Auch wissenschaftlich blieb das Sujet eine Marginalie im Feld der Aufarbeitungsgeschichte des Nationalsozialismus. Es waren und sind vor allem Skandale um Raubkunst, welche die Diskussion veränderten und zu strukturellen Veränderungen führten. Als Beispiele seien die Beschlagnahme zweier Gemälde von Egon Schiele in New York (1997/1998) und die Restitution des Gemäldes „Berliner Straßenszene“ von Ernst Ludwig Kirchner (2006) genannt.

Eine grundlegende Zäsur bildete der „Schwabinger Kunstfund“, besser bekannt als „Fall Gurlitt“, der im Herbst 2013 publik wurde. Nun wurden die Kunst- und Kulturgutverluste aufgrund nationalsozialistischer Verfolgung und ihre Kompensation zu einem öffentlichen Thema sowie auch die fachlichen, rechtlichen und politischen Hintergründe und Dimensionen einem weiten Publikum bekannt. So erfuhr die Öffentlichkeit, dass mit der Verabschiedung der Washingtoner Grundsätze im Dezember 1998 und ihrer Umsetzung in der Bundesrepublik Deutschland neue Anforderungen an die Auseinandersetzung mit Kulturgutverlusten in Zusammenhang mit dem Nationalsozialismus entstanden waren. Der gesellschaftspolitische Auftrag wurde 1999 in der „Erklärung der Bundesregierung, der Länder und der kommunalen Spitzenverbände zur Auffindung und zur Rückgabe NS-verfolgungsbedingt entzogenen Kulturgutes, insbesondere aus jüdischem Besitz“, der sogenannten Gemeinsamen Erklärung, verankert. 

Demnach galt es „auf der Basis der verabschiedeten Grundsätze und nach Maßgabe ihrer rechtlichen und tatsächlichen Möglichkeiten nach weiterem NS-verfolgungsbedingt entzogenen Kulturgut zu suchen und gegebenenfalls die notwendigen Schritte zu unternehmen, eine gerechte und faire Lösung zu finden.“ Auch wenn der Auftrag damit von Beginn mit der Einschränkung „nach Maßgabe ihrer rechtlichen und tatsächlichen Möglichkeiten“ die öffentlichen Institutionen entlastete, stellten sich mit dem Auftrag zur Auffindung von NS-Raubkunst neue Anforderungen an Forschung und Rechtspraxis. 

Während sich in den letzten 25 Jahren die zeithistorische Aufarbeitung des Nationalsozialismus zusehends ausdifferenzierte, dominierten in der Kunstgeschichte und den Museen lange die Moderneforschung und die Aufarbeitung der Verluste aufgrund nationalsozialistischer Kunstpolitik und Krieg. In der Fortführung einer Moderneforschung, wie sie in der westdeutschen Nachkriegszeit etabliert worden war, blieben die Opfer und die genozidale Dimension des nationalsozialistischen Kulturgutraubs im Schatten. 

Zentrales Charakteristikum des Umgangs mit den Folgen des nationalsozialistischen Kunst- und Kulturgutraubs ist ein spezifisches Zusammenspiel von Wissenschaft, Politik, Verwaltung, institutionellen und privaten Interessenvertretungen, Medien und Zivilgesellschaft. Die Gemengelage dieser verwobenen und häufig konfligierenden Institutionen und Interessen war bislang nicht Gegenstand wissenschaftlicher Analyse. Die Vorträge der Tagung behandeln die Beziehungen von Tätern und Opfern, institutionellen und partikularen Interessen, Wissenschaft und Politik in Fragen der Rückgabe von Raubgut.

Die Tagung wird gefördert vom Leibniz Forschungsverbund „Wert der Vergangenheit“, dem Verein der Freunde des Zentralinstituts für Kunstgeschichte e.V. CONIVNCTA FLORESCIT und der Stiftung Kritische Kunst- und Kulturwissenschaften, Karlsruhe. Sie dient als Grundlage eines Kompendiums „Aufarbeitung der Restitutionsgeschichte“, das im Anschluss publiziert wird. 

Konferenzsprachen sind deutsch und englisch.

Organisatoren: Magnus Brechtken (Institut für Zeitgeschichte München-Berlin) und Christian Fuhrmeister (Zentralinstitut für Kunstgeschichte).

Veranstaltungszeitraum: 16.07. - 18.07.2025

Die Veranstaltung ist eine Kooperation mit dem Zentralinstitut für Kunstgeschichte.

► Tagungsprogramm

ORT
Carl Friedrich von Siemens Stiftung
Südliches Schlossrondell 23
80638 München

ANMELDUNG
Die Veranstaltung ist öffentlich. Anmeldung ist erforderlich. Bei Interesse melden Sie sich bitte an unter  conference-kunstraub[at]ifz-muenchen.de.

Wir möchten Sie darüber informieren, dass auf unseren Veranstaltungen Bild- und Tonaufnahmen gemacht werden, die wir für unsere Öffentlichkeitsarbeit verwenden. Sollten Sie nicht fotografiert werden wollen, sprechen Sie uns gerne an.